Und während die Stadt fast noch ein bisschen zu müde ist, öffnen sich allmorgendlich zur gleichen Zeit die Türen. Hinaus fallen müde Eltern mit ihren Kindern. Ab aufs Fahrrad, ins Auto oder zu Fuß. Kita, Schule, Arbeit ruft. Zurück bleiben einige Frauen im Schlafanzug, Schichtarbeitende und Menschen in Elternzeit. Schnell noch ein Guten Morgen an den Nachbarn und den Müllmann, der wie jede Woche die Biotonne leert. Alles ganz normal in der Reihenhaussiedlung.

Das einzig Spannende an einem normalen Tag im Reihenhaus wird die Sendungsverfolgung der bestellten Pakete sein und die Frage: Muss man wieder Packstation für die Nachbarn spielen und steht der nach Zigaretten riechende Mann vor der Tür, oder doch der Nette? Der Nette. Mit dem noch schnell ein Pläuschchen über das coole Muster der Socken gehalten wird und man Tipps austauscht, wann es Zeit wäre den Garten zu bepflanzen und wo man genau die weichsten Socken mit den coolsten Mustern her bekommt. Schön, diese Vertrautheit.

Das Zwitschern der Vögel wird in den Nachmittagsstunden von den heimkehrenden Kindern und Eltern jäh unterbrochen. Je nach Sonnenschein und Jahreszeit, spielt sich der restliche Tag draußen ab. Von einem Garten zum Anderen, hier schnell ein paar Kekse schnorren, da etwas zu trinken und dann ziehen sie davon, die Gangs der Reihenhaussiedlung. Die einen spielen Fußball und versuchen möglichst nicht, die Autos zu treffen, die anderen hangeln sich von Zaun zu Zaun und versuchen, auf ihren Rollerblades nicht hinzufallen. Zwischendrin cooles Gepose und Gummibärchenpause.

Ach fein, die Nachbarin sitzt in der Sonne. Schnell den Sekt aus dem Kühlschrank holen und sich dazu gesellen. Gartentür auf, Halllöööööööööööchen und schon ist der Nachmittag wie er sein soll: Fluffig leicht und mit Gesprächen über Mann und Kinder. Und die Feststellung: Überall der gleiche Wahnsinn. Der Nachbar klopft von Weitem rhythmisch seine Essensreste gegen die Biotonne. Ein ebenso vertrautes Geräusch, wie das Klingen der Gläser und das Schreien der Jungs beim Hockey Spielen. Na zwei, dreimal geht da noch was mit der Schale und der Biotonne. Daneben wieder wunderbar zu bewundern, der penible Nachbar und seine Stoßlüftung. Gleich neben dem Grundstück mit dem akkurat gezüchteten Rasen. Ob die nachts heimlich mit dem Messband und der Nagelschere die einheitliche Länge prüfen? Und was macht der da? Noch mehr Lichterketten installieren und der Grill ist auch eher Kategorie „Angeber“. Gleich mal im Internet was bestellen und nachrüsten. So geht es ja nicht. Ja die Freuden des Reihenhausbesitzers: Wettrüsten mit der kreativsten Bepflanzung, dem professionellsten Zaun, der größten Feuerschale und der schönsten Gartenbeleuchtung. Nimm das Nachbar. Mit deiner Solarfunzel! Zum Glück gibts da noch die, die irgendwie nie da sind und auch der Charme eines Schrebergartens so langsam seinen Reiz verloren hat. Immer wieder kämpfen sie dagegen an, aber es scheint zwecklos.

Überhaupt. Der Garten. Heiligtum der Meisten. Austausch von Gartengeräten und Tipps zur richtigen Bepflanzung werden ebenso regelmäßig ausgetauscht, wie das Bier über den Gartenzaun gereicht. Verlässlich sind auch die Ausnahmen, die ihre Ländereien am Liebsten Sonntag Mittag mit dem Elektro Rasenmäher bearbeiten und damit die halbe Nachbarschaft in genervte Entzückung versetzen. Ein bisschen Spießigkeit muss schon sein: Welcher Vollidiot hält bitte die Mittagsruhe nicht ein und hat es ernsthaft immer noch nicht begriffen, was in die Wertstofftonne gehört und was nicht? Ist es echt so schwer, Pakete und Kartons zu zerkleinern?? Und wem gehört eigentlich das Auto, was seit Stunden auf dem Gehweg parkt? Noch ein Bier? Ach ihr grillt? Mooooment wir kommen. Und sagt mal, ist unser Kind bei euch?

Florierender Handel. Nicht nur mit Kindern, die mal hier und mal da durch Gärten und Kinderzimmer hopsen, sondern auch mit allerlei Lebensmitteln, die plötzlich im eigenen Vorratsraum nicht mehr vorhanden sind. Haste mal ein Ei? Eine Zitrone? Etwas Mehl? Und mein Paket steht ja auch noch bei euch. Aus „Ich hole mal schnell Backkakao von der Nachbarin“ wird ein langes „Haste schon gehört….. Und wie geht es euch eigentlich?“ So stehen sie da, in ihren Badelatschen, Schlumperhosen und zerzausten Haaren, tratschen, quatschen und lachen und freuen sich, dass sie sich hier gefunden haben. Hätte ja auch anders kommen können.

Hätte es. So wie die einen, die nur noch über den Anwalt kommunizieren. Oder die anderen, die nicht mehr gern auf der Terrasse sitzen, weil die Kinder so laut sind und keine Rücksicht nehmen. Wahrlich nicht schön. So lange die Sonne aber in den eigenen Garten scheint, die Nachbarn zur Gin Verkostung einladen und der andere Nachbar dringend ein neues Grillrezept ausprobieren muss, ja da stellen die Reihenhausbewohner fest, kann es so schlecht nicht sein. Und im Sommer stehen sie wieder in fremden Gärten und wässern fleißig. Holen sie die Post und nehmen sie Pakete entgegen. Beobachten sie den Nachbarn beim Biomülltonne abklopfen und den anderen, wie er akribisch durch den Garten werkelt. Während die von gegenüber hektisch alle Fenster schließen, weil das Holz doch ganz schön doll qualmt und so gar nicht brennen will.

Ja so ein Leben in der Reihenhaussiedlung hat schon seine Eigenheiten und Tücken. Kann man Pech mit den Nachbarn haben. Oder neue Freunde finden. Grillt man ziemlich oft und trinkt noch öfters Wein, obwohl man doch heute wirklich echt mal früher ins Bett wollte und eine Woche Alkohol Pause machen wollte. Aber ach kommt schon, das Feuerchen brennt so schön. der Wein ist wirklich lecker und der Abend viel zu mild um drinnen zu hocken. Bis sich am nächsten Tag müde Körper vor die Tür schieben und sich schwören: Heute gehe ich wirklich mal früher ins Bett!

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Autor

Seit 2011 bin ich in die Welt der Mütter aufgenommen. Mittlerweile habe ich 3 Töchter und einen Sohn. Hier schreibt keine "typische" Mutter, die Haushalt und Familie mit links schmeißt, Modelmaße hat und nebenbei locker eine Karriere wuppt. Ich finde es okay, auch mal zu sagen "Ich bin müde! Der Mann nervt! Wir streiten öfter! Nein, ich backe, bastel und singe nicht 24 Stunden am Tag! Ja, ich mag Fast Food und ein Schnäpschen zwischendurch!" Aber auch die schönen Dinge kommen nicht zu kurz. Süße Sachen die ich im Netz finde, hilfreiche Tipps, anderes Lesenswerte und ganz viel ♥

15 Comments

  1. Der Text ist so wahr. Lebe auch in einer Reihenhaussiedlung und dieses Null an Privatsphäre, Neid und Getuschel nervt.

    Habe mich etwas abgegrenzt, da ich irgendwann fast alle Nachbarn und Kinder im Garten hatte und die Kinder bei mir schellten wann immer sie Lust hatten.

    Ich brauche das nicht und finde jeder soll so Leben wie er mag. Aber ich brauche keine Freunde in der Nachbarschaft. Und das sollte in einer Reihenhaussiedlung auch keine Vorraussetzung sein jeden zu mögen und Freundschaften schliessen zu müssen.

  2. Christina

    Vielen Dank für diesen wunderbaren Text. Dieser bestärkt mich noch Mal mehr darin, in welchem Albtraum wir hier gelandet sind. Null Privatsphäre und ständige Lästereien unter den Nachbarn.

    Wir halten gerade Ausschau nach einer Bestandsimmobilie.

    Für kein Geld der Welt würde ich wieder in ein Neubaugebiet ziehen.

    Und diese gewollte Homogenität ist halt auch einfach Mal langweilig.

    Bye Bye, Neubaugebiet

  3. Christina

    Unser erstes Haus war ein REH – und seitdem sage ich „Nie wieder Reihenhaussiedlung, nie wieder Neubaugebiet“. Wir waren damals die letzten, die das Haus kauften und bezogen – und wir hatten zu der Zeit als einzige aus der Reihe keine Kinder und gingen als einzige aus der Reihe nicht im Blaumann sondern im Business-Outfit zur Arbeit. Und ich erdreistete mich auch noch, ein Cabrio zu fahren. So waren wir natürlich gefundenes Läster-Fressen für die Nachbarschaft.

    8 1/2 Jahre hielten wir es aus, dann zwang uns der Job meines Mannes zum Umzug. Inzwischen hatten wir Kinder und einen Van statt Business-Outfit und Cabrio, aber gelästert wurde noch immer.

    „Ich kaufe mir Dinge die ich nicht brauche von Geld was ich nicht habe um Leute zu beeindrucken, die ich nicht mag.“ war die Devise in unserer Siedlung. Schreckllch…!

  4. Das war auch mein Gedanke: Wie bei uns auf dem Dorf….
    Herumflitzende Kinder sind doch wahre Türöffner!
    Durch sie entstehen sooooooo viele Kontakte!
    Für uns hier ist es auch selbstverständlich, dass der Nachbar mal ermehnen darf, wenn mit dem Fahrrad zu flott gefahren wird (Autoverkehr durch Anlieger, die auch mal zügig unterwegs sind), oder dass die unreifen Äpfel am Baum zu bleiben haben. Das finde ich durchaus positiv.

    Genießt diese Zeit. Ruhig wird es in der Siedlung von selbst, wenn die Kinder größer werden…..

  5. Erstmal in unserer Reihenhaussiedlungwhatsappgruppe (was ein Wort) geteilt 😊. Lg

  6. Das ist natürlich blöd und hier gibt es auch Leute, neben denen will ich nicht wohnen und bin froh, dass sie schön weit weg sind. Das kann man ja leider überall haben. Hatten wir auch in der Wohnung mit denen über uns. Idioten findet man überall. Leider.

  7. Wäre doch in einem freistehenden Haus oder einer Wohnung nicht anders? Da wartet sie auch auf Papi und bestellt im Internet. Ich habe keinen größeren zusammenhalt und freundschaftliches Verhalten bisher erlebt. Im 5 Geschosser kannte man niemanden, schnell die Tür schließen und 20 Uhr übern Hof brüllen, man möge leiser sein. Da wohnten die richtigen Spießer und in über 10 Jahren war mehr als ein Hallo nicht drin. Hier dauerte es 3 Monate bis wir viele kannten und gern Zeit mit ihnen verbringen.

  8. Schön, wenn es mit den Nachbar klappt. Klingt nach einer tollen Zeit. Unsere hassen uns leider und unsere Kinder auch. Alte Leute, die aus Langeweile nichts mit sich anzufangen wissen und nur ihren Garten (und uns) als tägliches Amusement haben. Traurig. Dann lieber auf einen Wein zu euch 😊

  9. Liebe Jette,
    Ich weiß, dass der Text witzig sein soll und in Teilen ja auch ist aber für mich beschreibt er einfach nur deutsches Spießertum Deluxe. Die Muddi bestellt den ganzen Tag im Internet und verfolgt Paketsendungen. Das Highlight ist der Postbote. Es wird Rasen gemäht, mit Beleuchtung und Grill wettgerüstet
    und Alkohol getrunken. Und gewartet wann Vaddi nach Hause kommt. Oh no. Never ever. Es bestätigt leider das totale Reigenhausspießerklische. Sorry, ist nicht böse gemeint. Reihenhaussiedlung – Das Wort klingt schon wie eine Bedrohung.🤣😘

  10. Ich finde das toll. Bei uns ist es genauso. Wir haben hier neue Freunde gefunden. Im Sommer sitzen wir mit den Nachbarn bis tief in die Nacht draußen der Wein fließt die Kinder schlafen. Unsere Tochter hat immer jemanden zum Spielen.

  11. Ahhhhhh…..haha haha….da rollen sich mir die Fußnögel hoch. Bin in einer Reihenhaussiedlung groß geworden und da bekommen mich keine 10 Pferde wieder hin. Aber Jedem das Seine….

  12. Ja da hast du Recht. Es ist ein bisschen Dorf mitten in der Stadt. Genau perfekt für uns. Will ich Trubel, habe ich den in 10 Minuten. Will ich meine Ruhe, setze ich mich einfach auf die Terrasse und schaue den Kindern beim Spielen zu.

  13. Ein Stückchen Dorfleben mitten in der Großstadt. Hach, wie schön!
    Stadt wäre (zum Wohnen) für mich trotzdem nix.
    Aber das was du beschreibst, ist genau das, was ich an unserem Dorfleben so mag! Selbst die „negativen“ Seiten – irgendwie würde was fehlen, wenns die nicht gäbe…

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