Ich ertrage gerade sehr schwer Nähe. Ich denke es liegt an der Pandemie und dass wir alle viel öfters „aufeinander“ hängen. Und dass uns allen manchmal der Alltag zu viel ist: Die Nachrichten, neue Verordnungen, Quarantäne Sorgen, gesundheitliche Gedanken, Zukunftsängste usw. Hinzu kommen die Gefühle der Kinder. Nicht alles geht immer nur spurlos an ihnen vorbei und sie nehmen einfach alles hin. Nein, auch sie haben viele Gefühle die raus müssen, streiten eventuell öfters und lassen dies zu Hause raus.

Mein Kopf schreit nach Ruhe. Auch nach körperlicher Ruhe. Es ist alles zu viel: Meine Gedanken und die Gefühle der Kinder. Ich würde gern unter die Bettdecke krabbeln und nichts sehen oder hören. Und ich möchte nicht angefasst werden. Die Haut fühlt empfindlicher, ich bin sensibler, der kleine Körper wiegt viel schwerer auf mir und es fühlt sich kaum nach entspannen an.

Es ist okay, schwer Nähe zu ertragen

Nein natürlich ist es nicht normal, sich so zu fühlen. Aber es ist okay. Es gibt keinen Grund zu zweifeln, ob etwas nicht stimmt, ob man nicht normal sei oder ob man als Mutter gerade versagt. Nein diese Gefühle dürfen sein. Der große Drang nach Ruhe darf sein und ist doch sowas von verständlich. Übrigens auch gegenüber dem Mann. Wir sind ja alle niemandem etwas schuldig oder müssten eine körperliche Nähe Liste abarbeiten. Was nicht ist, ist gerade nicht.

Natürlich möchte ich weder dem Mann noch den Kindern vor den Kopf stoßen und kann nicht einfach sagen: Boah geh weg! Lass mich in Ruhe! Auch wenn es manchmal so leicht über die Lippen kommt. Die Kinder brauchen uns und den Halt den wir geben können. Körperkontakt ist wichtig, sonst gehen wir alle ein. Auch ich möchte nicht darauf verzichten. Wenn es aber mal gar nicht geht, dann sage ich das und wir verabreden uns zum kuscheln nach dem Abendessen. Oder wir schauen alle gemeinsam einen Film und liegen wie Erdmännchen gestapelt übereinander. Ich gebe im Vorbei gehen Küsschen und drücke die Kinder einmal mehr zwischendurch. Ich halte abends etwas länger am Bett ihre Hand und höre zu. Und ich sage immer wieder: „Hey das ist mir gerade zu laut, ich bin auch müde.“ Natürlich kann ich nicht so viel Verständnis und Rücksichtnahme erwarten, aber meine Grenzen aufzeigen ist wichtig.

Sekundenkuscheln ist auch was Feines

Supermom_Mamablog_Sekundenkuscheln_Naehe zulassenAuch wenn es wirklich schwer fällt, bevor das „Nein jetzt nicht!“ gesagt ist, vielleicht kurz tief durchatmen und schauen, ob ein paar Sekunden fest drücken und sich halten nicht doch drin sind. Oft reicht das den Kindern schon. Und zwischen all dem lauten Alltag bloß das schlechte Gewissen endlich vergraben. Es ist eine Pandemie die uns extrem viel abverlangt hat. Uns als Eltern aber den Kindern auch. Der Job soll doch aber bitte so weiter laufen wie bisher mit gleichbleibender Leistung, die Termine im Kopf behalten, jetzt eben online. Die Sorgen vor Ansteckung oder Quarantäne ignorieren wir am besten vollständig, ebenso das Signal aus der Politik, dass Familie jetzt nicht soooooo wichtig sei und man müsse sich jetzt echt nicht so anstellen. Ich rede gar nicht von der Schule, die einfach so weiter macht wie vor der Pandemie und Kinder, die gerade eingeschult wurden und daheim lesen und schreien lernen mussten, fallen eben hinten unter.

Beziehung, was ist das?

Und dann haben wir ja auch noch eine Beziehung. Und ich sag’s mal ganz ehrlich: Das ist echt harte Arbeit, wenn neben dem (Pandemie) Alltag auch noch berufliche Sorgen und große Stresssituationen dazu kommen. Dann verliert man sich als Paar schnell und lässt jeden Frust am anderen ab. Und dann noch Nähe zulassen? Nu hört’s aber auf! Ja auch das fällt mir schwer, aber so ein Kuss oder eine Umarmung während man wartet, dass das Wasser kocht, tut echt gut. Und abends beim Fernsehen kann man auch mal wieder nah bei einander auf dem Sofa sitzen statt jeder in seiner angestammten Ecke. Und reden. Örks das klingt so abgedroschen, aber wenn man nicht miteinander redet, wie es einem geht, warum man grad so ist und überhaupt was so ansteht, dann kann nur Frust entstehen und der raubt viel zu viel Energie.

Supermom_Mamablog_Familie fetztZwischen all dem Alltag, dem Jonglieren aller Befindlichkeiten, dem kurz vor durchdrehen Gefühl und den vielen Fluchtgedanken, sollten wir zwei Dinge nicht aus den Augen verlieren. Erstens, es ist eine Pandemie und wir rocken das ganz schön ahnungslos großartig seit über zwei Jahren. Ja seit zwei Jahren. Ruhig mal wieder in Erinnerung rufen. Da ist kein Platz für schlechtes Gewissen und ständige Selbstzweifel. Und zweitens: Wir sind nicht allein. Viele ertragen keine Nähe und fragen sich vielleicht gerade, was nicht mit ihnen stimmt und fühlen sich allein. Quatsch. Wir sind nicht allein. Entfolgt den Accounts auf Instagram und Facebook, die euch nicht gut tun. Tauscht euch aus mit den Menschen, die genau eure Herzensthemen thematisieren. Ändert eure online Bubble und sprecht ehrlich mit euren Freund*innen. Ihr werdet sehen, ihr seid nicht allein.

All die Gefühle, das überfordert und müde sein wird nicht weggehen, weil man weiß, ach der Nachbarin gehts ähnlich. Aber es hilft zu wissen, dass man eben nicht allein „scheitert“, dass viele gerade kämpfen. Dass viele gerade anders fühlen als früher. Und vielleicht in dem Austausch sieht man plötzlich Situationen ganz anders und startet etwas gelassener in den nächsten Tag. Dann hat es sich doch schon gelohnt sich auszutauschen. Bleibt im Austausch, mit dem Partner/ der Partnerin, mit den Kids, mit euren (online) Freunden und versucht euch doch mal im Sekundenkuscheln. Vielleicht werden dann bald daraus wieder Minuten und Stunden.

 

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Autor

Seit 2011 bin ich in die Welt der Mütter aufgenommen. Mittlerweile habe ich 3 Töchter und einen Sohn. Hier schreibt keine "typische" Mutter, die Haushalt und Familie mit links schmeißt, Modelmaße hat und nebenbei locker eine Karriere wuppt. Ich finde es okay, auch mal zu sagen "Ich bin müde! Der Mann nervt! Wir streiten öfter! Nein, ich backe, bastel und singe nicht 24 Stunden am Tag! Ja, ich mag Fast Food und ein Schnäpschen zwischendurch!" Aber auch die schönen Dinge kommen nicht zu kurz. Süße Sachen die ich im Netz finde, hilfreiche Tipps, anderes Lesenswerte und ganz viel ♥

6 Comments

  1. Welch wundervollen Wort 🫶 die Pandemie hat mich noch einsamer gemacht 😢 aber wir schaffen das 💪 liebe Grüße Viktoria

  2. Danke für diese Worte, die mir aus der Seele sprechen. Und warum hat man dazu auch immer ein permanentes schlechtes Gewissen? Ist das nicht alles schon schwer genug, als das wir uns noch für unsere Gefühle und das Mentalload schämen müssen? Ja, ich habe es mir ausgesucht, ein Kind zu haben. Ich habe es mir aber nicht ausgesucht, dann jegliche eigene Bedürfnisse aufgeben und jegliche Gefühle absprechen lassen zu müssen und dazu immer alles klaglos zu ertragen und sowieso jedes Problem händeln zu können.

  3. Starke Worte liebe Jette und ich kann sie sehr gut nachvollziehen. Verkrieche mich so oft abends in mein Bett u wenn das Kind dann kommt sage ich ihn sehr oft das ich jetzt zeit für mich brauche u keine lust habe. Tut mir dann weh aber so ist es leider, ich brauche dann Luft zu atmen.

  4. Deine Texte sind für mich und bestimmt für so viele Mamas das Umarmen in diesen Momenten. Wie oft fühlt man sich schlecht weil man gerade mal nicht Holy Glory empfindet, sondern in der Achterbahn der Gefühle des Alltags sitzt. Danke Kuss Nadine

  5. Ohja! Ich fühle das gerade sehr. Manchmal würde ich am liebsten flüchten. Ich bin durch unsere aktuelle Situation sehr angespannt und kann in solchen Momenten Nähe nur schwer zulassen. Bei den Kids reiße ich mich zusammen (und spreche es zudem kindgerecht an, um authentisch zu bleiben) – der Mann versteht es zum Glück meistens. Ich hoffe, die Phase ist bald wieder vorbei.

  6. „Sekundenkuscheln“ – das nehme ich auf jeden Fall mit in den Alltag!
    Mir geht es ähnlich wie Dir (und so vielen)… einerseits. Und andererseits ist mein Bedürfnis nach Nähe manches mal noch viel größer, eben weil da draußen in der großen Welt der Wahnsinn unaufhörlich tobt!
    Wichtig ist, dass wir die Nähe zu uns selber nicht aufgeben! Das wir das Gefühl nicht verlieren, was uns wichtig ist und was wir brauchen, damit es uns besser geht. Und das auch einfordern, so gut es geht. Manchmal vielleicht auch ein bisschen lauter. Denn erst dann, wenn wir auf uns hören, haben wir auch wieder Kraft und Kapazitäten, auf die Menschen um uns herum zu reagieren und gut zu ihnen zu sein!
    Diese verrückte Zeit fordert uns allen so viel ab – wenn nur Sekundenkuscheln diesen Wahnsinn beenden könnte!

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