Ich sehe dich an und mein ganzes Herz gehört dir. Ich sehe nur dich, wie du so laut bist oder gegen uns kämpfst und ich frage mich, was das kleine Kind in dir drin gerade denkt und fühlt. Warum kämpfen oder laut sein gerade so wichtig ist. Du bist abends ganz erschöpft und möchtest kuscheln, in unserem Bett schlafen und bloß nicht ins Bett, denn dann ist der Tag vorbei und wir können uns nicht mehr festhalten.

Mein ganzes Herz gehört immer dir. Ich teile es nicht auf. Es ist ganz und gar deins. Mal spüre ich es mehr, mal weniger. Mal schmerzt es und mal ist die Liebe einfach da. Im Alltag, ohne dass wir beide uns das sagen müssten. Es gehört immer dir, egal was du machst und egal wie wütend du auf mich bist. Ich halte das aus. Ich halte dich aus. Dafür bin ich da. Dass du dich ausprobierst, deine Grenzen austestest und deine Rechte einforderst bei uns. Das ist nicht immer bequem, für niemanden von uns, denn ich sehe wie du innerlich kämpfst und ich glaube dir, dass du das eigentlich nicht willst. Und dann bricht der nächste Sturm über uns herein und du knallst mir Antworten entgegen, die es mir schwer machen, ruhig zu bleiben. Und gerade jetzt gehört mein ganzes Herz dir.

Ich liebe meine Kinder. Ihnen gehört mein Herz. Ich versuche nicht, es gerecht aufzuteilen, denn die Liebe ist immer da. Manchmal wird sie nur mehr heraus gefordert sich zu zeigen. Manchmal ist sie einfach so da, wenn ich mich sorge tut sie sogar fast weh. Wenn wir uns streiten, liebe ich die anderen Kinder nicht mehr, oder eins weniger. Vielleicht ist die Liebe in diesem Moment sogar besonders groß, denn ich stelle mich gegen die Wut und bin der Blitzableiter. Ich halte das aus, denn ich liebe sie.  Jede auf ihre Weise und am Tag sicher unterschiedlich intensiv. Aber mein Herz gehört immer ihnen. Jeder einzelnen genau so viel, wie sie gerade braucht und verlangt. Sie sind so unterschiedlich und haben verschiedene Bedürfnisse. Wie könnte ich sie immer gleich lieben, wenn sie doch nicht gleich sind?

Zur Zeit fordert ein Kind mein ganzes Herz. So sehr, dass es weh tut. Dass es mir nicht gut geht, weil ich mich sorge. Ist ein Kind krank oder benötigt extra Aufmerksamkeit, so ist mein Herz auch mehr bei diesem Kind. Und auch das ist meine Aufgabe. Ich kann mich nicht zu gleichen Teilen gerecht kümmern, weil jedes Kind mich anders verlangt. Und das ist in Ordnung. Wenn mich jemand fragt, ob man es schafft, auch ein zweites Kind genauso zu lieben, wie das erste, dann sage ich: Nein. Weil es ganz anders wird. Die Liebe teilt sich nicht auf, sie kommt in so vielen verschiedenen Formen daher, dass sie genau da ist und in der Menge, wie sie gebraucht wird. Sie legt sich beschützend über das Neugeborene und überschüttet uns mit Stolz wenn wir das plötzlich große Kind sehen, wie es mit dem Baby umgeht.

Das Wichtigste ist doch, dass unsere Kinder immer wissen, dass wir sie lieben. Dass in den Momenten wo sie es brauchen, unser ganzes Herz nur ihnen gehört. Dass wir da sind und aushalten. Dass wir uns sorgen, sie beschützen und sie immer lieben. Mal laut, mal leise. Mal ist die Liebe kein Sack voller Schmetterlinge, sondern ein schwerer Stein voll Sorge, während einen Moment später das Herz vor Glück für das andere Kind hüpft.

Wir müssen uns nicht sorgen, ob die Liebe reicht für mehrere Kinder. Oder ob wir allen immer gerecht werden. Das werden wir nicht, weil das Leben uns manchmal herausfordert und ein Kind mehr Aufmerksamkeit benötigt. Aber es gleicht sich alles aus. Es ist müßig darüber nachzudenken, ob ich am Ende des Tages alle gleich stark liebe und allen gerecht werde. Denn vielleicht habe ich mich mit einem Kind nur gestritten, mit dem anderen nur gelacht und das Dritte voll Stolz in die Schule begleitet. Und dennoch, gehört jedem Kind mein ganzes Herz. In unterschiedlicher Form. Und das ist wohl die größte Aufgabe als Mutter. Die Liebe zu wandeln in das was benötigt wird. Auffangen, trösten, lieben, aushalten, Sorge ertragen, Glück und Stolz empfinden, zufrieden sein.

Es hat niemand gesagt, dass Eltern sein leicht ist. Dass sich die Liebe einfach vervielfacht und wir vor Lauter Glück die nächsten Jahre fast platzen. Es kann sogar verdammt weh tun. Aber es lohnt sich immer. Mein ganzes Herz gehört immer dir. Und manchmal ganz besonders nur dir. Und später wenn du groß bist, dann lese ich dir das hier vor und ich hoffe, du hast das immer genauso empfunden. Denn dann habe ich doch das Meiste richtig gemacht. Denn was immer gilt: Familie fetzt.

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Autor

Seit 2011 bin ich in die Welt der Mütter aufgenommen. Mittlerweile habe ich 3 Töchter und einen Sohn. Hier schreibt keine "typische" Mutter, die Haushalt und Familie mit links schmeißt, Modelmaße hat und nebenbei locker eine Karriere wuppt. Ich finde es okay, auch mal zu sagen "Ich bin müde! Der Mann nervt! Wir streiten öfter! Nein, ich backe, bastel und singe nicht 24 Stunden am Tag! Ja, ich mag Fast Food und ein Schnäpschen zwischendurch!" Aber auch die schönen Dinge kommen nicht zu kurz. Süße Sachen die ich im Netz finde, hilfreiche Tipps, anderes Lesenswerte und ganz viel ♥

18 Comments

  1. Liebe Jette, jetzt hast Du mich nah ans Heulen gebracht. Ich habe zwei Mädchen und es ist nicht immer leicht, als Working mom gelassen mit all den Herausforderungen umzugehen, die da kommen. Aber Du hast es gerade in so schöne Worte verpackt, die schreibe ich mir hinter die Ohren (als Berlinerin weißt Du ja, wie das gemeint ist). Liebste Grüße, Danke! Sandra

  2. Was für wunderschöne Zeilen!!! Ich kämpfe auch gerade wahnsinnig mit einem meiner Pflänzchen und jedes Wort trifft zu. Oft denke ich, dass ein Kind einfacher gewesen wäre und kaum habe ich diesen ungeheuerlichen Gedanken fertig gedacht, passiert etwas unerwartet Herzerwärmendes, was mit nur einem gar nicht möglich gewesen wäre.

  3. Pingback: Von allem ein bisschen, bitte | 6 Freitagslieblinge am 12. Oktober 2018 | berlinmittemom

  4. Liebe Jette!
    Genau so empfinde ich es auch ❤
    Ich liebe meine drei Jungs, jeden Tag, jede Nacht. Immer. 24 h 7 Tage die Woche.
    Jeden anders, jeden auf seine Art. Das haben sie sowas von verdient. Und ich auch!
    LG,
    Melanie

  5. Das ist das Wundervollste, was ich seit langem gelesen habe! Und obwohl ich nur ein Kind habe, berührt mich dein Text total. Es spricht so viel Liebe und Lebenserfahrung daraus.

  6. Ich finde das ist einer der schönsten Texte, die ich seit Ewigkeiten gelesen habe. Vielleicht weil hier Baby 3 im Bauch ist und mit ihm viele Gedanken im Kopf. Deine Worte sind so wunderbar. So ist das mit der Liebe. Genau so! Danke, Jette

  7. Liebe Jette,
    Ich habe sonst nie das Bedüfnis einen Text zu kommentieren. Hier einfach ein großes Danke, eine dicke Umarmung und ein paar Tränchen für deine Gedanken, die du so treffend in Worte fasst. Wunderbar, ein wenig weise und herzallerliebst.
    Herzliche Grüße aus dem Taunus
    Meike

  8. Das ist dein bester Text Jette!
    Er hat mich abgeholt,
    Ganz tief drinnen!
    Danke
    ❤️

  9. Sehr schön geschrieben. So persönlich und doch allgemein gültig.

  10. Hach. Du hast mich tief berührt. Genau so ist es! Danke für diesen gefühlvollen und ehrlichen Text.
    Carina

  11. Oh Jette genauso fühlt es sich an und genauso sollte es sein.
    Mir liegen auch die Tränen… ich finde du hast diese doofe Frage: liebst du alle Kinder gleich? Sowas von auf den Punkt gebracht.
    Eigentlich finde ich die Frage einer Mutter gegenüber auch gemein, denn man liebt seine Kinder immer aus vollem Herzen.

  12. Genauso! Und nicht anders! Du hast genau das in Worte gefasst, was einen Tag täglich begleitet und ich danke dir dafür, denn ich glaube wir machen das ganz gut. Vielen Dank dafür! 💫

  13. Liebe Jette,

    ein wundervoller, berührender Text aus dem auch mir Deine ganze Liebe für Deine Kinder, Deine Familie entgegenströmt.

  14. So ein toller Text. Er berührt mich sehr. Danke ❤️

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