Nachts, wenn die Welt keine Farben hat. Wenn es still ist. Dann liege ich im Bett und denke über diese Welt nach. Viel zu viel. Denke an das Schicksal der Familie, die ihre Mama verlor. Mir fällt der Vater ein, der gegen den Krebs kämpft. Mir fallen so viele schwere Gedanken ein.

In der Nacht, wenn die Farben nicht so kräftig leuchten, wenn es nicht so laut rauscht, dann rauschen nur meine Gedanken. Und ich denke darüber nach, was wäre wenn ich krank wäre. Oder mein Kind. Und ich lausche ihrem Atem etwas länger und es beruhigt mich. Mich überkommt diese eine Sorge: Ist es richtig, Kinder zu bekommen? Bei all dem, was so passieren könnte? Halte ich die Sorge ein Leben lang aus? Wenn sie das erste Mal von der Schule allein nach Hause gehen. Wenn sie ausziehen, reisen, feiern und ich nichts von ihnen höre. Wie hält man das aus? Warum tue ich mir diese Ängste an? Und warum tue ich ihnen das Leid an, was sicher irgendwann mal passieren wird?

Ja, in der Nacht frage ich mich, ob man Kindern diese Welt überhaupt antun sollte. Denn ich will sie beschützen. Ich will nicht, dass sie traurig sind. Ich will nicht, dass sie Verlust ertragen müssen, manchmal will ich die Angst um sie auch nicht aushalten. Wenn die Welt keine Farben hat und das Internet mir zu viele traurige Geschichten vors Auge spült. In der Nacht.

Und die Augen fallen zu und der Atem wird leiser. Die Vögel zwitschern und die Welt findet ihre Farben. Der Alltag beginnt und es ist keine Frage, ob es richtig ist, Kinder zu haben. Sie sind da. Und ich beschütze sie. Ich sorge mich um sie. Ich will ihren Atem hören und wissen, dass es ihnen gut geht. Am Tag mit all den Farben habe ich keine Angst. Ich atme tief ein und ich schaue sie an. Ich schmiere Brote, ich koche Kaffee. Ich wünsche ihnen einen schönen Tag und ich küsse und drücke sie ganz fest. Und es ist schön, sie aufwachsen zu sehen. Wie sie selbstständiger werden und allein ihre Wege gehen.

In der Nacht wenn die Farben nicht da sind, dann liege ich oft auch da und bin glücklich. Ich denke nicht an die schweren Schicksale anderer Menschen. Ich weiß, ich kann nichts dagegen tun, sollte uns etwas passieren. Ich denke an meine Kinder und ich weiß, uns geht es jetzt gut. Manchmal mag ich es schwarz und leise. Wenn ich nicht schlafen kann und über uns nachdenke. Warum wir uns streiten. Was wir für Ausflüge unternehmen können am Wochenende und was ich bloß kochen soll morgen. Dann liege ich da und denke mir, wie verrückt dieses Leben ist. Mit drei Kindern. Wieviel Glück wir haben. Dass wir uns haben. Dass wir gesund sind. Und ich schaue hinaus in die Stadt, die so schön funkelt und leise vor sich hin brodelt. Und ich möchte nirgendwo anders sein. Diesen Gedanken bewahre ich mir und halte ihn fest, für die anderen Nächte. Denn was ein Herz fühlt, das seine eigenen Kinder liebt, das ist nicht immer verständlich. Das ist nicht immer aushaltbar und manchmal ist es sehr anstrengend. Aber ganz oft ist es einfach was es ist: Liebe.

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Autor

Seit 2011 bin ich in die Welt der Mütter aufgenommen. Mittlerweile habe ich 3 Töchter und einen Sohn. Hier schreibt keine "typische" Mutter, die Haushalt und Familie mit links schmeißt, Modelmaße hat und nebenbei locker eine Karriere wuppt. Ich finde es okay, auch mal zu sagen "Ich bin müde! Der Mann nervt! Wir streiten öfter! Nein, ich backe, bastel und singe nicht 24 Stunden am Tag! Ja, ich mag Fast Food und ein Schnäpschen zwischendurch!" Aber auch die schönen Dinge kommen nicht zu kurz. Süße Sachen die ich im Netz finde, hilfreiche Tipps, anderes Lesenswerte und ganz viel ♥

16 Comments

  1. Pingback: In der Nacht wenn die Gefühle sich leise anschleichen

  2. Oh ja! Ich kenne diese Gedanken. Und auch diesen entrückten Zeitraum zwischen Heute und Morgen. Wenn alles irgendwie grau ist. Die Grenzen der Realität zu verschwimmen scheinen und einen der Weltschmerz zu überrollen scheint. Auch ich stelle mir- dank Internet, zu vieles vor, was uns alles wiederfahren könnte. Manchmal lähmt es mich, aber irgendwann hilft es mir auch meine Prioritäten zu überdenken. Welche Spuren möchte ich bis „dahin“ in den Herzen meiner Kinder hinterlassen? Und darum bemühe ich mich dann, dass- wenn so ein Tag X bei uns eintreffen würde- die Kinder wissen, wie sehr sie geliebt werden.

    Viele liebe Grüße
    Sandra

  3. Liebe Jette,

    Bisher immer nur stille Leserin möchte ich Dir von Herzen für diesen Beitrag danken. Du sprichst mir und sicherlich vielen Müttern aus der Seele. Wie wir manchmal nicht schlafen können vor lauter Liebe und Sorge um die Familie. Mir stehen die Tränen in den Augen.

    Danke.

    Liebe Grüße, bleibt gesund und liebt Euch.

  4. Ja, die Sorgen um das eigene Kind ein Leben lang aushalten, das ist für mich das herausforderndste am Eltern-Sein. Und nur wer das Gefühl selber kennt weiß, wie schwer es das Herz machen kann. Ich glaube es ist eines der stärksten Gefühle die es gibt und deswegen immer wieder eine Herausforderung dass es einen nicht übermannt und man dem Kind nicht genug zutraut…

  5. Stineprinz

    Liebe Yette,

    ganz viel Dankbarkeit für diese berührenden, wahren, warmen Worte.

    Sei herzlichst gegrüßt von Stine

  6. Hach, ja oft denke ich auch so! Ich bin überzeugt davon,dass jedes Kind die Welt zu einem besseren Ort macht. Jedes Kind ist eine Chance Dinge zu verändern, ich finde es so schön,wie mein Sohn ( 3 Jahre) neues lernt und dabei ganz anders interpretiert, oder wie meine kleine Tochter(8 Monate) die Welt entdeckt! Und ich freue mich jeden Tag darauf ihre Kindheitserinnerungen zu schaffen !
    Die dunklen Gedanken der Nacht halten mich dazu an aber auch gut auf mich zu achten und ganz bewusst zu genießen! Dein Blog trägt auch dazu bei, neue Denkanstöße, kurz innehalten, lesen am Morgen! Danke !
    Liebe Grüße vom Niederrhein nach Berlin!

  7. Franziska ü

    Das ist Leben und das ist gut so, nicht zu wissen, was passieren könnte. Aber die Gewissheit zu haben, dass alle Zeit vergänglich ist und man das Beste davon herausholen kann.
    Leben ist so wertvoll und zum Leben gehören positive und negative Erfahrungen eben einfach dazu.

  8. …und Abends an Deinem Bett zerrinnt das Wichtige zur Nichtigkeit…
    Danke für die schönen Worte

  9. Wie wundervoll, du sprichst mir aus der Seele!
    Vielen Dank, liebe Jette!

  10. Diese verrückten Gedanken, die man nachts so hat und dann erst mal nicht mehr schlafen kann.

  11. So schön geschrieben und so wahr. Auch ich mag es mal bunt und dann wieder dunkel. Ich bin gerade mit Kind Nummer 2 schwanger und wurde vor kurzem gefragt, ob wir uns das gut überlegt hätten Kinder in diese Welt mit all ihren Problemen zu setzen…meine Antwort war nur „wir sind halt mutig“.

  12. Das ist so schön geschrieben! Und aus Erfahrung mit einem schwer kranken und 2 gesunden Kindern kann ich sagen- auch wenn es so schwer wird, dass man es kaum aushält, ist es richtig, Kinder zu haben. Liebe macht das Leben lebenswert.

  13. Hallo Jette!
    Wunderbare Gedanken an einem chaotischem Mittwoch-Morgen – ich danke Dir, so isses!
    All you need is love…

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