Am 11. Oktober war der Welt Mädchentag, ausgerufen von Plan International.

„Trotz aller Fortschritte beachtet die Welt die Herausforderungen, mit denen Mädchen konfrontiert sind, viel zu wenig. Zum Beispiel gehen weltweit rund 130 Millionen Mädchen nicht zur Schule. (….) Die UN-Kinderrechtskonvention legt fest, dass Mädchen und Jungen dieselben, unveräußerlichen Rechte haben. Allerdings haben sie immer noch nicht dieselben Chancen: Im Verhältnis werden Mädchen häufiger diskriminiert und an ihrer freien, selbstbestimmten Entfaltung gehindert. Der Welt-Mädchentag rückt diese Probleme und die Bedürfnisse von Mädchen in den Vordergrund. So wird auf internationaler Ebene ein Anstoß gegeben, die Situation von Mädchen zu verbessern.“ (Zitat Plan International)

Ich gebe zu, manchmal bin ich naiv unterwegs und denke mir, ach hier läuft das doch. Wir leben in einem fortschrittlichen Land, wir sind aufgeklärt, unsere Generation bringt doch ihren Mädchen und Jungs nicht mehr solchen „Quatsch“ bei. Aber schon in der Kinderklamotten-Abteilung werde ich eines besseren belehrt: Jungs sind cool, stark, smart. Mädchen sind süß, kreativ, kommunikativ.

Ich rede mir zum Teil den Mund fusslig, wenn meine Jüngste sagt: Aber Jungs tragen doch keine langen Haare, oder rosa, oder schminken sich….. Ich frage sie, warum sie das denkt. Sie weiß es nicht. Ich frage mich: Woher hat sie das denn?! Von uns nicht. Und ich zeige ihr Bilder von Männern mit langen Haaren, von coolen Klamotten in rosa, von Jungs in Röcken, oder Männern die sich schminken und damit zum Teil sehr erfolgreich sind.

Klassischer Fall von Sexismus

Wer sexistisch denkt, beachtet nicht die Persönlichkeit des einzelnen Menschen. Wer sexistisch denkt, denkt zum Beispiel:
Sie ist eine Frau, dann muss sie auf eine bestimmte Art aussehen oder sich verhalten.
Sie ist eine Frau, dann hat sie bestimmte Aufgaben.
Er ist ein Mann, dann muss er etwas besonders gut können.
Wer sexistisch denkt, denkt nicht darüber nach, ob eine Person wirklich bestimmte Dinge gut kann oder gern machen möchte. Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung

Mein Kind kommt zu mir und sagt: Mama, die Jungs haben wieder gesagt, Bogenschießen sei gar kein richtiger Sport, das könne ja jeder. Fußball hingegen sei cool und anstrengend, eben ein richtiger Sport. Wir lachen zum Glück beide, denn sie weiß genau, dass sie die Jungs abziehen würde. Muss sie ihnen aber gar nicht beweisen, sie weiß es. Ich stehe da und denke mir, woher haben die denn so ein blödes Denken? Von den Eltern, die genauso alt sind wie wir?

Beim Training höre ich wie der Trainer zum Jungen sagt, hey ärgere dich nicht, dass sie mehr Liegestütze schafft als du. Sie ist leichter, da ist das einfacher. Du hast mehr Muskeln, du bist schwerer, da ist das nicht so leicht mit den Liegestützen. Ich steh da und denke nur: Reich mir mal einer nen Bogen bitte. Als ich den Trainer drauf anspreche, meint dieser nur, dass er den Jungen trösten wolle, weil er gegen ein Mädchen verloren habe. Falsche Herangehensweise: Vielleicht sollte der Junge mal weniger quatschen und ne große Klappe haben und das Mädchen einfach für die Leistung gelobt werden.

Unser Alltag bestätigt es: Jungs und Männer sind die Starken und Schlauen

Es sind diese kleinen Sätze, die man beim Familientreffen hört, die einfach so gesagt werden: Heul nicht wie ein Mädchen! Rosa ist doch nichts für Jungs! Fußball ist ein Männersport. Und ohne es aktiv zu merken, denken viele, dass ein Mädchen erstmal weniger kann. Und das zieht sich durch unsere Wahrnehmung den ganzen Tag. Glaubt ihr nicht? Gerade erst wurde eine Studie veröffentlicht, die genau das zeigt: Überall Männer. In Talk- und Quizshows ist es am Schlimmsten. Die Zahl der Expertinnen liegt hier bei 26%. Im Film hält es sich fast die Waage, ebenso in Kochshows.

Und nun? Ich sitze ganz oft hier und denke, ach das lohnt doch nicht, einen Text darüber zu schreiben. Ich habe nicht genug Wissen, Daten, Lösungen. Aber dann merke ich, wie diese Sprüche unseren Alltag beeinflussen, wie es mich ärgert und ich denke mir, wir können nur was ändern, wenn wir aufmerksamer mit unseren Worten sind, wenn wir uns bei Markus Lanz, Anne Will usw beschweren und mehr Frauen einfordern. Die gibt es natürlich. Die Redaktionen laden bloß immer die Gleichen ein.

Ein bisschen Umdenken ist unbequem, aber ein Anfang

Ich habe keine Lösung für ein tief verankertes Denken. Es wäre ein toller Anfang wenn wir Eltern es besser machen. Wenn wir unseren Jungs Gefühle zugestehen, wenn wir sie nicht vergleichen mit Mädchen oder Eigenschaften herabwerten, weil sie einem Mädchen zugeschrieben werden. Es wäre ein Anfang bei der Familienfeier nett zu sagen: Ach du, wir tragen hier bunt und man kann auch den Trainer oder den Fußball spielenden Jungen darauf hinweisen, wie unangebracht solche Sprüche sind. Und der Junge darf dann gern mal beweisen wie easy Bogenschießen tatsächlich ist, oder ein 5 Minuten Wandsitz.

Engstirnige Gedanken limitieren das Leben unserer Kinder

Man muss auch einfach mal verstehen, wie sehr wir Erwachsenen das Leben unserer Kinder limitieren, ihnen Fantasie nehmen und Gefühle absprechen. Dein Sohn will reiten? Na dann los? Deine Tochter möchte Astrophysikerin werden, aber gern doch! Wenn wir klein denken, tun es unsere Kinder auch. Wir nehmen ihnen die Chance, die Welt in ihrer Gesamtheit zu entdecken, weil wir von vorn herein Farben, Hobbys, Berufe, Gefühle ausschließen. Wie traurig ist das denn?

Es ist kein Kampf, kein Vergleichen, kein „So ist es eben“, kein „War nicht so gemeint“ , kein „Er ist eben ein Junge“ und kein „Ich wollte ja nur trösten“. Nein. Es sind die kleinen alltäglichen Sätze, es sind die Filme und Bücher die wir wählen, die unseren Kindern eine Welt zeigen, in der Jungs das Sagen haben. Und wir haben die Entscheidung, immer wieder darüber zu reden, wenn solche Sprüche kommen. Wir müssen uns nicht zurück lehnen und das Verhalten entschuldigen mit: Er ist eben ein Junge, der ist ein bisschen wilder. Wir können die Rollen überdenken, die wir Mädchen und Jungen zusprechen und nicht unterscheiden, wer zu Hause hilft, sondern jedem Kind das Kochen beibringen und das Löcher in die Wand bohren, das Fahrrad flicken usw.

Sagt niemand, dass dies von heute auf morgen geschieht und klar, ist es bequemer, wahrscheinlich vor allem für Jungs-Eltern. Aber auch die Söhne haben später mal eine Frau und Kinder und auch sie möchten mit Respekt und Wahrnehmung auf Augenhöhe durchs Leben gehen. Also bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als mal ein bisschen wacher durch die Welt zu gehen, vielleicht doch einmal mehr anzuecken und immer wieder das Gespräch mit den Kindern zu suchen.

Die Welt verändern ist nicht die alleinige Aufgabe von Mädchen Eltern

Die Welt umkrempeln ist keine „one woman show“, oder Aufgabe von Eltern mit Mädchen. Nicht wir sollten unseren Mädchen beibringen, noch ein Stück stärker zu sein, ein bisschen lauter (aber ohne hysterisch zu wirken) und vielleicht doch lieber etwas unscheinbarer daher zu kommen, damit kein Junge sich provoziert fühlt. Es ist auch die Aufgabe der Eltern mit Jungs ihnen einen respektvollen Umgang beizubringen mit Mädchen, dass ihre Grenzen zu wahren sind auch wenn sie körperlich überlegener sind. Dass es keine Entschuldigung ist, einfach ein wilder Junge zu sein, weil Jungs nun mal so sind. Und dass niemand irgendwo umfällt, weil ein Junge lange Haare hat oder rosa trägt, oder gern mit Puppen spielt. Man kann in der Kita solch starkes Rolldenken ruhig mal ansprechen. Bei uns gibt es jetzt jedenfalls keinen Ritter und Prinzessinnen Tag. Mein Kind kam übrigens damals als Drache. Und es ist unser aller Aufgabe damit mal anzufangen und gegen zu halten. Und dazu gehört auch, immer wieder darüber zu reden, aufmerksam machen und achtsamer mit Worten umgehen.

Erlebt ihr solche Sprüche bei euren Kindern im Alltag auch? Wie reagiert ihr darauf und ertappt ihr euch zum Teil selbst noch, in alte Denkmuster zu fallen und Jungs und Mädchen verschiedene Eigenschaften zuzuschreiben? 

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Autor

Seit 2011 bin ich in die Welt der Mütter aufgenommen. Mittlerweile habe ich 3 Töchter und einen Sohn. Hier schreibt keine "typische" Mutter, die Haushalt und Familie mit links schmeißt, Modelmaße hat und nebenbei locker eine Karriere wuppt. Ich finde es okay, auch mal zu sagen "Ich bin müde! Der Mann nervt! Wir streiten öfter! Nein, ich backe, bastel und singe nicht 24 Stunden am Tag! Ja, ich mag Fast Food und ein Schnäpschen zwischendurch!" Aber auch die schönen Dinge kommen nicht zu kurz. Süße Sachen die ich im Netz finde, hilfreiche Tipps, anderes Lesenswerte und ganz viel ♥

6 Comments

  1. Mein Sohn ist der Klischee-Junge. Baufahrzeuge, Dinos, Kämpfen,… Was für mich okay ist, weil er es selbst so entschieden hatte. Er hat auch eine Puppe und einen Buggy, und einen Spielherd, aber die waren immer nur kurz interessant.

    Wir achten sehr darauf, dass wir im Gespräch mit ihm nicht in Junge und Mädchen unterscheiden, wenn es um Farben, Frisuren, Spielzeug oder sonst was geht. Und doch ist er mit seinen 5 Jahren grade krass auf dem Jungs vs. Mädchen Trip. Sein Kita-Tag besteht (laut seinen Erzählungen) auch hauptsächlich drin, Pläne zu schmieden, wie sie die Mädchen jagen können. Die Erzieher*innen sagen zum Glück, dass es nicht ganz so dramatisch ist, wie er es manchmal schildert.

    Ich werd da weiter mein Möglichstes tun, um dem gegenzuwirken. Nicht, weil ich möchte, dass mein Kind in Rosa und Kleidchen rumläuft. Das darf er ganz alleine entscheiden. Sondern deshalb, weil ich nicht möchte, dass er anderen Kindern sagt, was sie wegen ihres Geschlechts zu tun oder zu lassen haben. Das hören die Kinder oft genug. Ich hätte gerne, dass meiner dann der ist der sagt. „So ein Quatsch. Spielzeuge und Farben sind für alle da und natürlich können Mädchen so gut kicken/bauen/werfen wie Jungs.“

  2. Guten Morgen,
    Ich finde das ein sehr schwieriges Thema. Vorallem als 4-Fach Jungsmama. Ich habe auch schon häufiger erlebt das es immer die “Jungs” waren. Oft wird Ihnen gar nicht zugehört und sofort die Schuld an allem gegeben. Außerdem finde ich schon das es Unterschiede zu den meisten Mädchen gibt. Unsere Jungs hüpfen zb. Im Trampolin viel wilder und raufen sich gerne, auch wenn Freunde da sind ist das so. Und haben einen Riesen Spaß dabei. Ich als Frau kann das oft nicht nachvollziehen weil ich so nicht gespielt habe. Ich liebte Barbies, my little Pony , playmobil und hatte ein Pferd das ich liebend gern versorgt habe.
    Und dann haben meine Jungs auch wieder ganz andere Seiten, der eine Liebt basteln, zeichnen und kochen. Der andere ist absoluter Fußballfan und hasst basteln 😂 Einer hat sich mit vier einen Puppen wagen mit Puppe gewünscht (den er auch bekommen hat), wofür ich übrigens auch kritisiert wurde. Und mein kleinster (1 1/2) hat wunderschöne Locken die ich bisher nicht geschnitten habe und wird egal welche Farben er an hat immer als Mädchen betitelt.
    Bei uns muss jeder mithelfen, im Haushalt, beim Holz machen, Rasen mähen, etc. Allerdings mache ich all diese Dinge auch 😉
    Und bei den ganzen Fußball spielen bin meistens ich dabei und nicht mein Mann, weil es mir mehr Spaß macht 😂
    Ich sehe wahrscheinlich eher die Jungs Seite weil ich kein Mädchen habe, kann allerdings wirklich sagen das es die Jungs auch oft schwer haben und mit Vorurteilen zu kämpfen haben.

    Das war jetzt recht durcheinander geschrieben, aber ich hoffe du verstehst was ich meine 🙈😉

    Viele Grüße
    Carina

  3. Hallo jette,

    Danke dir für diesen tollen Text. Das Thema begleitet mich täglich und es ist teilweise erschreckend wie alleine man dabei ist. Unsere Tochter liebt Fußballspielen, klettert, ist super sportlich und begeistert sich für Superhelden und Fahrzeuge. Sie möchte Feuerwehrfrau werden oder Astronautin oder Erfinderin. Sie hat fast nur Jungsfreunde und für sie und uns ist es das normalste der Welt. . Aber es vergeht kein Tag an dem ich sie nicht erklären, ja regelrecht verteidigen muss. „Warum ist sie so?“ „Lustig, sie spielt Fußball, warum das denn?“ „kommen denn gar keine Mädchen zu ihrem Geburtstag?“ usw. auch die Verwandten schenken rosa glitzerkleider. „Sie ist doch ein Mädchen“
    ach, ich könnte hier ewig schreiben

    Ich glaube unsere Große hat mir erst gezeigt wie sexistisch unsere Gesellschaft ist. Ich war es vielleicht auch bevor dieses mutige Kind uns gezeigt hat wie begrenzt wir in unseren Schubladendenken doch sind.

    Ich jedenfalls werde nicht aufhören, zu erklären, zu widersprechen und meine Tochter darin zu bestärken so zu sein wie sie sein möchte.

  4. Übles Thema, ich denke gerade in Kindergärten und Schulen noch nicht genügend angekommen. Selbst von jüngeren Erzieher:innen hört mein jüngster, wie unangebracht lange Haare seien. Mein ältester wird angemotzt, weil „man Mädchen nicht schubst als Junge“ – Egal was vorher war und hatte letztes Jahr eine Aufgabe im Sachkundebuch, in der er mit rot und blau ausmalen musste welche Spielzeuge typisch Jungs und typisch Mädchen sind. Mordsterror, als wir alles grün angemalt haben…. Da ist noch viel Luft nach oben

  5. Also ich bin zweifache Jungsmama und war selber eher nie das „typische“ Mädchen, arbeite in eher männerdominierten Beruf und bin trotzdem gerne Frau! Ich versuche meinen Jungs ein Vorbild zu sein und sie gleichberechtigt zu erziehen. Sie sollen so nicht mehr aufwachsen. Aber man muss die Sprüche eben nicht nur aushalten, sondern kontern. Sonst regt man keinen Gedankenwechsel an. Es ist ermüdend, aber das sind wir Frauen ja gewöhnt.
    Das erste Mal als ich zu meinen Jungs gesagt bekam, sie sollen nicht wie ein Mädchen heulen, wurde mir das schlagartig bewusst, dass ich nun nicht mehr nur für mich selber etwas verändern möchte. Wie gesagt, es kostet Kraft und Nerven, aber anders geht es nicht.

  6. Hallo Jette,
    es ist ein ein großes Thema! Mein Sohn interessiert sich vor allem für technische Sachen und ist sehr sportlich. Er hat auch eine enorm kuschlige Seite und mag Babies sehr. Ich versuche ihn ihm allem zu fördern und auch selbst ein gutes Beispiel zu sein.
    Ich finde es sehr ungut, wenn „gegen ein Mädchen verlieren“ noch schlimmer ist als „verlieren“. Was soll das, sie hatte mehr Kraft oder Ausdauer, dass darf doch so stehen bleiben. Der Junge hat zwar auch bloß die gelernten Muster angewendet, aber das Trösten müsste anders aussehen, vielleicht „Weißt du, sie kann das am besten hier und es ist ganz bestimmt keine Schande gegen die Beste zu verlieren.“ Ist doch generell ein guter Rat und hat nix mit dem Geschlecht zu tun.
    Mir graut ehrlich gesagt vor diesen ganzen Konflikten die da noch kommen. Ich will nicht, dass mein Sohn als „Täter“ betrachtet wird, weil er ein Junge ist und ich will auch nicht, dass er Mädchen schlecht behandelt. Letzteres kann ich sicherlich stark beeinflussen, immerhin. Ich bin generell dafür Männer und Frauen als Mensch zu betrachten und Mädchen und Jungen als Kind. Ich glaube Persönlichkeit ist stärker als Geschlecht, auch wenn es großen Einfluss hat. Aber trotzdem. :) Finde es jedenfalls super, dass du den Trainer angesprochen hast!
    Liebe Grüße!

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