Und während ich Material zusammen sammle für eine Lesebox und das Projekt: Kinderzimmer im Schuhkarton, lernt der Mann mit dem Schulkind die europäischen Länder und deren Hauptstädte auswendig für den kommenden Test. Unbedingt müssen wir noch die wörtliche Rede üben, da steht eine Klassenarbeit an und englisch wartet auch noch. Erstmal ausdrucken alles, Audiodatei anhören. Das Kind soll alles laut vorlesen mit uns. Klar. Wann passt es heute? Wir haben übrigens ganz vergessen, die Bücher zurück in die Bibliothek zu bringen.
Gestern ging das Kind in die Schule, obwohl sie gar keinen Unterricht hatte. Huch, mein Fehler. Immerhin hat sie das Matheheft mitgebracht, was längst fertig sein sollte, aber in der Schule vergessen wurde. Heute hat sie wirklich Schule. Nur das Matheheft liegt zu Hause. Wir versuchen derweil noch den Zahnarzttermin unterzubringen und plötzlich fehlt irgend ein Masernnachweis in der Kita, häh? Zwischendrin schriftliche Division, zur Abwechslung mal ein YouTube Video, denn ich weiß nicht recht, wie ich es noch erklären könnte.
Und dann ist der große kopierte Berg Arbeitsmaterial endlich geschafft. Später als von der Lehrerin geplant. Aber die ist eh nicht in der Schule. Wichtiger Termin. Vertretung. Sicher wichtig, so wie wir alle Termine und das Leben jonglieren müssen. Immerhin sind die neuen Aufgaben nur noch für den nächsten Tag. Sie erschlagen uns als Familie nicht mehr. Ein Ende ist gegen Mittag in Sicht.
Dann nur noch kochen. Bloß was? Niemand hat auf irgendwas Lust. „Wenn doch der Inder da vorn aufhätte, da war es lecker!“ Ja. Wenn bloß schon Frühling wär, Wenn ja wenn.
Sitzen bleiben als neue Strategie
Und zwischendrin die Politik, die sich ihr eigenes Versagen nicht eingestehen will und stattdessen um die Ecke kommt mit: Ey, wer will kann ja die Klasse wiederholen. Das müsste nur mit dem Lehrpersonal und den Eltern besprochen werden. Aber eigentlich ist es die Entscheidung der Eltern. Und bitte nicht in ein paar Jahren rumjammern, dass es die Kinder so schwer hätten. Nenenenene, liebe Eltern, das habt ihr dann selbst zu verantworten. Ihr hattet die Wahl!
Hab ich die? Wo bleibt die Motivation für das Kind, wenn ich jetzt sage, ey super, dass du die tausenden kopierten Seiten fast allein abgearbeitet hast, machste einfach noch mal. Und wo soll der Platz denn sein in der Schule? Wenn nur in jeder Klasse zwei wiederholen, bräuchte Berlin ganze sechs neue Schulen, inklusive Personal. Mal darüber nachgedacht, liebe Politik? Wahrscheinlich nicht. Denn: Thema vom Tisch. Kriegen Schulen und Eltern schon hin, wir verkacken derweil weiter die Impfungen.
Noten müssen schon sein!
Für manche Kinder nimmt das sicher viel Druck, wen interessiert später ein Jahr mehr. Hier würde es auch nicht auffallen, weil die ersten drei Klassen zusammen unterrichtet werden. Man bleibt also erstmal im Klassenverband mit der gleichen Lehrerin. Aber kann ich das denn wirklich einschätzen? Und kann das die Lehrerin einschätzen? Die damit beschäftigt ist, irgendwie Noten im zweiten Halbjahr zu sammeln, weil sie muss. Weil das für Grundschüler wirklich waaaaaahnsinnig wichtig ist später, ob das blöde Bewertungssmiley nun lacht oder enttäuscht guckt. Weil auch das 4. Klasse Zeugnis in Berlin niemanden interessiert. Weil es genug Jahrgänge gibt, die später aus ihren Zeugnissen ein schönes Lagerfeuer machen können. Ja die Noten. Bloß keinen Druck rausnehmen. Bloß nicht den Lehrplan verschlanken. Bloß nicht fragen, ob eine Lesekiste oder ein gebasteltes Kinderzimmer im Schuhkarton nun mega wichtig sind und tatsächlich etwas Abwechslung und Spaß nach Hause bringen.
Und während die Zahlen weiter langsam steigen, will Berlin die Grundschulen ganz öffnen. Im Wechselmodell mit Lüften und nicht reden beim Mittagessen. Bloß nicht reden Kinder! Dann schreiben wir schnell viele Tests und Klassenarbeiten, bewerten gemalte Bilder mit Smileys und schleppen uns so durch bis Ostern? Wahrscheinlich machen wir da lieber wieder alles zu. Außer die Großraumbüros.
Ich bin übrigens tatsächlich für Schulöffnungen im Wechselmodell mit halber Klassenstärke, mit vernünftigen Konzepten und ausgedünntem Lehrplan. Mit Begleitung, Unterstützung und Motivation seitens der Lehrer, die auch merken, dass viele Schüler nicht mehr können. Oder wollen. Und die Eltern auch nicht.
Schaumbad und Glitzer könnten helfen
Aber wir können ja alle einfach das Jahr wiederholen. Eigentlich sollten das ausnahmslos alle bis zur 10. Klasse machen. Nur so als Bluff. Um mal zu schauen, ob sich was regt. Oder ob die Schulen dann einfach aufgeben. Oder weiter machen. Weiter weiter wie bisher. Ich befürchte fast, Letzteres. Immer weiter machen. Ein paar Wochen noch. Bis Ostern. Vielleicht. Noch ein bisschen zusammen reißen, während der Impfstoff in der Ecke vergammelt, weil also neeeee der ist nicht mit goldenem Glitzer, den will ich nicht. Ich streu jetzt Glitzer in meinen dritten Kaffee. Das hilft nicht, auch nicht das Schaumbad für die 10 Minuten „metime“, aber wat willste machen?
5 Comments
„Die Versetzung Ihres Kindes ist gefährdet“ – ta, das kann man leider nicht einfach ignorieren. Weil es bedeutet: nach dem ganzen Scheiß auch noch aus dem Klassenverband rausgerissen werden. Bestraft werden für nicht Funktionieren. Für nicht verstehen, wie Mathe geht, weil die LEhrerin seit einem Jahr nur noch Aufgaben schickt. Weil die Eltern Funktionen auch nicht mal eben aus dem Ärmel schüttelnd erklären können. WEil mir irgendwann auch die Puste ausgeht, und ich einen 15jährigen nicht Tag und Nacht kontrollieren kann. Hat er alles abgegeben? Rechtzeitig? Hat er alles verstanden in 15 Fächern? Warum hinkt er schon wieder in der Fremdsprache hinterher? Weil es seit einem Jahr keinen Unterricht mehr gibt? Oder weil er so faul ist und keine Lust hat auf drei Arbeitsblätter pro Woche und sonst gar nichts. Dass in JEDEM fucking Arbeitsblatt Tipp-/Flüchtigkeits und zum Teil einfach grobe Wissensfehler sind? Geschenkt! Das sagt man natürlich nicht. Wirkt sich nur negativ auf das Kind aus. Und weiter. weiter. Weiter…. bis man irgendwo runterspringt, weil man einfach nicht mehr will.
Ich kann dir so gut nachempfinden. Mich macht dieses ganze Hin und Her auf dem Rücken der Eltern und Kinder nur noch müde.
Oh ja, wie wahr.
Ich versuche ja wirklich nicht zu meckern, nicht zu schimpfen auf Impf-Entscheidungen oder sonstige politische Versäumnisse, es nutzt nix, wir müssen es hinnehmen wie es ist.
Aber wo mir wirklich langsam ernsthaft die Hutschnur platzt und wo ich anfange laut und lange und leidenschaftlich zu meckern, ist der Umgang mit Schule. Da fehlt mir mittlerweile jegliches Verständnis. Ich kann nur für NRW sprechen, dieses Ministerium ist der absolute Witz. Es geht nur darum, irgendwie durch die Monate zu kommen, bis endlich der Präsenzunterricht wieder „ganz normal“ laufen kann. Wir warten einfach ab, bis es wieder normal ist. Und dann läuft alles wie früher. Dass es „normal“ und „wie früher“ nie mehr geben wird…. egal, wird schon. Innovative Konzepte? Ideen? Unterstützung? Nichts davon, und damit meine ich NICHTS. Die guten Ideen, die einzelne Schulen und Lehrer haben, werden ausgebremst und nicht genehmigt. „Lohnt sich nicht mehr, ist ja bald alles wieder normal. Wie früher.“ Die Leute, die wirklich Ahnung haben werden nicht gehört und nicht mal gefragt. In Bochum gibt es die einzige und wirklich wahnsinnig gut funktionierende reine online-schule in deutschland. Auf die ist noch niemand zugekommen und hat mal nach Expertise gefragt. Wie kann das sein?
Das macht mich so wütend. Und gleichzeitig so müde.
Aber manchmal kann man nichts machen außer weiter. Puh.
Liebe Grüße, ruth
Mir kommen beim Lesen leider leider die Tränen. Vor Wut und Enttäuschung, weil der Text leider so wahr ist und man als einzelner leider keine Macht hat an der Situation etwas zu ändern, die die Politik da so entscheidet.
Weiter Durchhalten und Wein trinken…
Hallo liebe Jette,
einfach wahr und so toll geschrieben! Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen. Bloß keine unbequemen Entscheidungen treffen oder überhaupt mal richtige Entscheidungen. Einfach immer alles weiterziehen, bis der selbst verkackte Impfplan die Mehrheit der Menschen abgedeckt hat. Der Impfplan, der darauf aufbaut, dass die EU vom hohen Ross herunter gemeint hat groß verhandeln zu müssen mit den Herstellern der Impfstoffe. Die haben ein Monopol, liebe EU, merkste wat? Ist in der Wirtschaft auch so. Wie?! Kennt ihr nicht, liebe Politiker?! Das Versagen bei dieser Schlüssel Entscheidung führt dazu, dass wir viel länger als nötig diesen ganzen Mist ertragen und leider mittragen müssen um die Risiko Gruppen zu schützen. Danke, liebe Politik, für nichts!
Und, leider wie erwartet, wird in dem Amt „Schule“ wieder mal alles auf die einzelnen Familien und Lehrer abgewälzt statt einheitlich eine Lösung zu erarbeiten wie man in dieser Ausnahme Situation damit umgehen kann. Denn die Bildungspolitik obliegt ja den einzelnen Bundesländern. Tolle Wurst, danke für nichts!
Liebe (gefrustete) Grüße,
Martina