„Ein ganzes Karussell voller Kinder“, denke ich, während das kleine Karussell sich dreht. Alle meine. Okay, es hat nur 3 Sitze, aber die Kutsche ist sogar doppelt besetzt und alle strahlen. Ein ganzes Karussell voller Glück. Mein Glück. Nein, unseres. Und in diesen Zeiten noch einmal besonders. Denn heute ist Kindertag und wir haben allen Grund, stolz auf unsere Kinder zu sein. Vor allem sollten wir laut stolz sein, da sie momentan kaum gesehen werden.

Seitdem vermutet wurde, dass Schulen und Kitas die Seuchenschleudern schlechthin seien und alles getan wird, Kackorona einzudämmen, tut sich in vielen Alltäglichkeiten wieder einiges, nur in Schulen und Kitas nicht, solange Eltern nicht als systemrelevant gelten. Ich kann keine flammende Rede darüber schreiben, wie ungerecht ich das alles mittlerweile finde, weil mir wahrscheinlich die passenden Redewendungen fehlen und ich auch nicht die Zeit habe (haha), sämtliche Studien zu suchen und zu verlinken, die zeigen, dass Schulen und Kitas eben doch nicht das größte Risiko sind. Ich höre, dass an Pfingsten 350.000 Urlauber nach Mecklenburg Vorpommern reisen, dass sich in einem Restaurant über 50 Leute angesteckt haben, dass Fußballer sich drücken und natürlich Körperkontakt haben auf dem Spielfeld. Mit entsprechenden Hygienemaßnahmen und immer gleich bleibenden Gruppen, wäre eine Öffnung sicher machbar. Vor allem wenn man rechtzeitig in Bildung und Kitas investiert und nicht alles kaputt gespart hätte. So viel wurde darüber geschrieben und gerade weil Eltern protestiert haben und laut wurden, ist die grundsätzliche Schließung der Kitas bis August aufgeweicht worden. Beschwert sich niemand, passiert auch nichts. Egal wie oft man sich herabschätzende Kommentare anhören muss, dass man ja nur überfordert sei mit seinen unerzogenen Gören und dass ja alles Luxusjammerei sei.

Ich will allen, die sich über überforderte Familien lustig machen, oder die anderen ihr Leid absprechen, heute mal sagen, wie großartig unsere Kinder sind. Die einfach alles über sich ergehen lassen. Die lange Zeit nicht ihre Freunde sehen konnten, nicht mal auf einen Spielplatz durften. Die um ihre Eltern rumchleichen, welche versuchen, die Arbeit zu schaffen. Die plötzlich Schule zu Hause machen müssen, mit Eltern, die das nicht gelernt haben und die vielleicht ungeduldig sind. Die ihr ganzes soziales Umfeld aus den Augen verlieren, ihre Gewohnheiten, ihren Alltag, ihre Großeltern und erweiterte Familie. Einfach so. Und sie nehmen es hin. Sie passen sich an und geben ihr Bestes. Sie schlagen tapfer morgens die Bücher auf und lernen Neues, mit Glück per YouTube Video erklärt. Sie sehen nur ihre Eltern und Geschwister und das nähere Umfeld. Sie akzeptieren es, ertragen die schlechte Laune, nehmen Rücksicht, versuchen es zumindest.

Unsere Kinder fetzen eh, aber jetzt fetzen sie noch mehr. Ich sehe, wie es in ihnen rumort. Wie sie die Freiheit vermissen. Wie auch die Jüngste mit der Situation kämpft, obwohl sie sagt, sie vermisst die Kita nicht. Trotzdem redet sie jeden Tag von ihren Erlebnissen und fragt, wann der Sseiss Virus vorbei ist. Sie verzichten auf ihre Geburtstagsfeiern und sehen ihre Freunde nicht, stattdessen schreiben sie Briefe und telefonieren. Uns Erwachsenen fällt all das schon schwer, Kindern noch einmal mehr. Denn sie können das nicht artikulieren, wie es ihnen geht, man spürt es nur, wenn sie vermeidlich bockig sind, keine Lust auf Schule haben und irgendwie alles schief läuft.

Der Alltag kehrt Stück für Stück zurück, für uns Große. Denn einkaufen soll ich doch bitte am liebsten ohne Kinder. Und der Mann könnte doch bitte wieder arbeiten kommen, die Schule sei ja auf. Jo noch ganze dreimal für die Erstklässlerin bis zu den Sommerferien. Und die Große, die schon auf ihren Geburtstag verzichtet hat, wird nun auch keine Verabschiedung von ihrer Klasse haben. Mir tut es im Herzen weh. „Luxusproblem“.

Zeigt uns diese Zeit, dass es gut ist, Kinder zu haben? Wahrlich nicht. Denn wir Familien sind auf uns gestellt. Home Office, Schularbeiten zu Hause, Kurzarbeit, keine Kita über Monate, abwertendes Belächeln anderer. Aber von der Prämie, die ich bekomme, weil ich mir ein neues Auto kaufe, kann ich ja den Kindern was Schönes kaufen. Weil sie so tapfer durchhalten. Warum klatschen wir nicht mal laut für die Kinder und Familien? Ich klatsche auch für die Autoindustrie und nehme die Prämie ohne Autokauf. Lufthansa, Adidas, VW, alle schreien nach Hilfen und bekommen sie. Ein Leben ohne Bundesliga? Ach da fällt uns was ein. Kinder zurück in die Kita und Schule? Also bitte! Sie sind doch die Hauptüberträger und halten keinen Abstand. Komisch, meine haben das super verinnerlicht. Ich sag es doch, grandios sind sie.

Nicht nur heute, oder zu Corona Zeiten, sondern immer, haben Kinder unsere Wertschätzung und uneingeschränkte Liebe verdient. Sie erdulden, was wir Großen entscheiden. Sie werden zum Virenschleudermonster abgestempelt und böse angeschaut und lächeln dem einfach entgegen. Sie stehen auf und wissen, heute wird ein guter Tag. Die Jüngste nimmt mein Gesicht in ihre kleinen Hände und sagt: „Mama wenn ich schlafe, vermisse ich dich!“ Die Große meint, ich sei als Lehrerin ganz okay, auch wenn sie gern wieder zur Schule geht und Bogenschießen vermisst. Sie schaut sich tapfer YouTube Videos zum Geodreieck an und lässt sich von mir mehr schlecht als recht erklären, wie man es genau benutzt. Denn „So ist das eben“ ist keine gute Erklärung.

Unsere Kinder zeigen uns, dass sie das Beste sind in dieser Zeit. Weil wir es durchstehen werden. Gemeinsam. Weil ich erschöpft und müde bin, oft auch überfordert, aber sie mich lieben. Mir meinen Wutausbruch verzeihen und es genießen, dass wir nicht von Termin zu Termin hetzen und viel Zeit zusammen verbringen. Ich weiß nicht, ob ich diese Zeit einfacher ertragen könnte ohne Kinder, vielleicht wäre das so. Aber das ist egal. Denn nicht nur heute, sondern an allen Tagen, auch an den müden und stressigen, küsse ich sie abends und wir sagen uns, wie sehr wir uns lieb haben. Ich liebe es, wie sie mir aufgeregt von der neusten Serie erzählen, die sie schauen, wie sie im Auto nach Einhörnern, statt nach Pferden auf der Wiese Ausschau halten. Ich liebe ihre kleinen Partys, wenn sie Seeed ganz laut aufdrehen und sich vorstellen, wie es wohl beim Konzert gewesen wäre. Ich liebe die zerstrubbelten Haare und das Kinderkichern aus dem Kinderzimmer. Ich liebe die Momente, in denen wir alle im Bett zusammen liegen, kreuz und quer, Hauptsache kuscheln.

Und ich liebe sie dafür, dass sie das alles hier grandios meistern. Also sagt es heute laut am Kindertag und an allen anderen Tagen: Unsere Kinder fetzen, sie sind die Coolsten hier und sie haben es verdient, dass alle das hören, dass sie wahrgenommen werden, dass sie wieder Anteil nehmen können am Leben, nicht nur im Restaurant brav bei den Eltern sitzen oder dem Lieblingsfußballverein zujubeln oder mal kurz auf dem Spielplatz nebenan gehen, bis dieser zu voll ist. Ich wünsche ihnen mehr Unbeschwertheit, mehr alten Alltag mit neuen Hygieneregeln. Ich wünsche ihnen eine sorgenfreie Zeit, ohne Angst um die Großeltern haben zu müssen oder die angespannte Situation zu Hause ertragen zu müssen. Und ich wünsche ihnen mehr lächelnde Gesichter draußen. Familie fetzt. Auch in Kackorona Zeiten. Auch in der lautesten, müdesten, verzweifeltsten Minute. Denn zusammen ist man weniger allein und mit Kindern sowieso.

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Autor

Seit 2011 bin ich in die Welt der Mütter aufgenommen. Mittlerweile habe ich 3 Töchter und einen Sohn. Hier schreibt keine "typische" Mutter, die Haushalt und Familie mit links schmeißt, Modelmaße hat und nebenbei locker eine Karriere wuppt. Ich finde es okay, auch mal zu sagen "Ich bin müde! Der Mann nervt! Wir streiten öfter! Nein, ich backe, bastel und singe nicht 24 Stunden am Tag! Ja, ich mag Fast Food und ein Schnäpschen zwischendurch!" Aber auch die schönen Dinge kommen nicht zu kurz. Süße Sachen die ich im Netz finde, hilfreiche Tipps, anderes Lesenswerte und ganz viel ♥

4 Comments

  1. Hallo Jette,
    Danke für diesen tollen Beitrag! Du hast wirklich recht. Unsere Kinder waren und sind die aller tapfersten in der Coronakrise! Jetzt kann man nur hoffen, dass es bald bergauf geht.
    Liebe Grüße, Raphael

  2. Hast Du wieder mal toll geschrieben, liebe Jette! Ich kann Dir das alles nachfühlen. Ich komme aus Thüringen, nachdem unser MP am Anfang der Woche komplett zurückgerudert ist, konnte man am Freitagnachmittag plötzlich lesen, das Kitas und Grundschulen ab 15. Juni für mindestens 8h tgl. geöffnet werden. Was ein Träumchen. Versteh mich nicht falsch, ich bin für Abstand und Maskenpflicht, arbeite ja selbst in einer Arztpraxis. Aber Notbetreuung, wie wir sie für meine Jüngste seit 2 Wochen in Anspruch nehmen, weil es anders nicht mehr geht, ist keine Lösung.
    Letzte Woche sagte mir nämlich meine Erstklässerin: “ Mama , morgen ist Spielzeugtag im Kindergarten…“ES iIST NUR NOTBETREUUNG. Aber ich schimpfe nicht, sie hatte letzte Woche auch an 2 Tagen je 3 Stunden Unterricht mit ihrer Klassenlehrerin. Meine mittelste Tochter ist in der 8. Klasse und darf morgen das erste Mal nach 11 Wochen wieder in die Schule. Meine Große ist in der 11, Klasse und soll nächstes Jahr ABI schreiben, hatte bisher auch nur 8 Tage Schule , alles supi.. Aber die Großen machen ihr ihr Ding da bin total froh darüber. Schauen wir mal was so kommt. Lass es Dir und Deiner Familie weiterhin gut gehen, Du hast super Kinder. Kinder sind toll!!! Nicole

  3. Liebe Jette,

    normalerweise lese ich nur still mit, aber heute gibt’s einen Kommentar. :) Wie immer ein fantastischer Text, der die Dinge auf den Punkt beim Namen nennt. Wahnsinn.

    „Mama wenn ich schlafe, vermisse ich dich!“ Wie wunderschön ist das denn bitte.

    Liebe Grüße,
    Bettina

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