„Iss deinen Teller auf, sonst darfst du kein Eis essen!“

Diesen Satz hörte ich neulich vom Nachbartisch. Die Eltern des Kindes hatten den Teller gefüllt, dieser sollte nun leer gegessen werden. Na wenn man es genau nimmt, der Teller selbst sollte ja auch noch gegessen werden. 

Mir tat das Kind leid. Sie hatte darauf keinen Hunger, wollte zum Abendbrot gleich den Nachtisch, nämlich das Eis. Sie zwang sich ein paar Kartoffeln rein in der Hoffnung, die Eltern sind besänftigt. Klappte nicht. Am Ende aß sie wirklich brav auf und bekam dann ihr Eis. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie ich in der Grundschule mal das völlig zerkochte Rhababer Kompott aufessen musste und bis heute kein Rhababer mag. 

Essen darf Spaß machen. Es ist ein Genuss. Wir leben in einer Welt, in der der Kühlschrank voll ist und wir Auswahl haben. Das heißt, wir müssen das Essen nicht hinter schlingen, hauptsache es ernährt uns. Wir sind auch nicht auf der Flucht vor einem Säbelzahntiger, sondern wollen unserem Körper etwas Gutes tun. So versuche ich es unseren Kindern am Tisch zu vermitteln.

Wenige Essensregeln
Ich frage meine Kinder am Wochenende was sie sich wünschen und gemeinsam finden wir etwas Leckeres. Ich koche nicht extra für sie, irgendwas ist immer dabei, was sie essen. Außerdem mag Jede etwas anderes am Liebsten, ich könnte gar nicht allen gerecht werden.

Meine Kinder befüllen sich die Teller selbst. Sie sollen lernen, abzuschätzen wieviel sie nehmen. Sie müssen nicht alles probieren, was auf dem Tisch steht. Ich frage sie lediglich, wenn es etwas ist, was sie noch gar nicht gekostet haben und direkt "iiiiiih" schreien, ob sie dem Ganzen nicht wenigstens eine Chance geben wollen. 

Sie müssen nicht aufessen. Manchmal isst meine Große echt ne homeopathische Dosis. Ich biete ihr dann noch eine Alternative, wie belegtes Brot oder ein Joghurt, wenn sie nicht will, auch ok. Wenn sie die leckere Soße verschmähen und trockene Kartoffeln und Nudeln essen, na dann guten Appetit. Bei uns gibt es auch nicht die Regel, dass vor dem Essen nichts getrunken wird, weil "dann der Bauch schon so voll ist". Wir reden am Tisch. Ich bitte darum und frage sie, was sie geplant haben oder wie der Tag war. Mit vollem Mund reden wir nicht, ansonsten ist schnattern und lachen erlaubt, schließlich ist es die einzige Zeit, wo wir wirklich zusammen sitzen und uns unterhalten können.

Wir fangen gemeinsam an und irgendwer wünscht einen guten Appetit. Sie müssen nicht warten, bis alle am Tisch aufgegessen haben um aufzustehen. Sie warten aber auf ihre Geschwister und gespielt wird dann nicht am Tisch. Ich benutze Essen nicht als Erpressung und schon gar nicht als Belohnung. Sie dürfen einen Nachtisch essen, auch wenn sie bloß eine halbe Kartoffel gegessen haben, weil sie dann schon sooooo satt sind. Ich habe schließlich auch einen extra Nachtischmagen und freue mich immer aufs Dessert. Warum soll ich es meinen Kindern verwehren.

Tischmanieren
Meine Kinder essen mit Messer und Gabel, schneiden sich ihr Brot etc selbst. Sie sitzen ordentlich am Tisch und nicht mit den Beinen halb darauf oder fast liegend. Ja, das ist mir tatsächlich wichtig. Ob der Ellenbogen aufliegt ist mir egal, der Kopf bleibt aber oben, der Mund beim Kauen geschlossen und bitte, wir sind keine Kamele, man kann Luft holen beim Trinken. Und ich achte darauf, dass niemand schlingt oder hortet, weil man Angst hat, der Andere isst mehr. Einer Serviette benutzen wär toll, Hände und Schüssel ablecken, weil es so lecker war ist zu Hause auf jeden Fall erlaubt. Wenn sie fertig sind, räumen sie ihr Geschirr in die Küche und waschen sich die Hände. 

Mehr Regeln gibt es nicht. Gern dürfen sie mir bei der Vorbereitung helfen und Gurke schneiden, umrühren, den Tisch decken etc. Bei uns ist es immer etwas klebrig, es kippt etwas um, die Hälfte fällt runter. Manchmal sind die Mädels schon nach dem Frühstück von oben bis unten bekleckert. Manchmal nerven mich Kau- und Schmatzgeräusche. Manchmal sind die Kinder nach 10 Sekunden fertig und fanden mein Essen "äääkelich!". Pfts. Manchmal schmiert die Kleinste ihre Hände am Arm des Mannes ab und ganz oft sitzt der Hund neben ihr und wird heimlich gefüttert. Der Boden sieht ganz ok aus, dank Hund. Bei uns am Tisch ist es nicht still. Wir genießen unser Essen und versuchen nicht zu hetzen. Klappt morgens nicht immer. Ich decke den Tisch schön ein und gerade am Wochenende machen wir es uns nett mit Kerzen und einem leckeren Getränk für die Kinder. Wir klauen vom Teller des Anderen und wir lassen es uns schmecken. 

Meine Kinder essen gern. Weil es kein Muss ist. Weil sie nie etwas esen möchten, was sie nicht wollen. Weil ich versuche wenigstens eine Komponente anzubieten, die sie auch essen. Weil ich sie nicht erpresse, dass der Brokkoli aber nun mal gesund sei und man nur dadurch groß und stark wird. Weil sie keinen Löffel für Oma, Opa, Tante, Mama essen müssen. Weil sie außer halbwegs gerade da sitzen, nicht mit vollem Mund reden und wenig Schmatzen, keine Regeln befolgen müssen und auch nicht lange am Tisch bleiben müssen, bis auch der Letzte aufgegessen hat. Bei uns gibt es keinen Applaus für den Ersten, der fertig ist und kein extra Lob für einen leeren Teller. Der Nachtisch fällt nicht aus, weil jemand nicht essen mag oder ist Druckmittel um überhaupt was zu essen. 

Meine Kinder sollen später nicht an ein Lebensmittel denken, was sie auf keinen Fall essen, nur weil irgendwer sie genötigt hat, dies zu tun. Sie sollen Essen nicht mit "lieb" oder "gut" verbinden, sondern ein vernünftiges Gefühl dafür bekommen, wieviel sie essen möchten. Ich respektiere sie und sie sagen deutlich, wenn sie etwas nicht essen wollen. Super, mehr für mich. 

Wie handhabt ihr die Mahlzeiten in der Familie? Habt ihr feste Regeln? Worauf achtet ihr oder dürfen eure Kinder auch quer über den Tisch hopsen und mit Essen werfen? 

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Autor

Seit 2011 bin ich in die Welt der Mütter aufgenommen. Mittlerweile habe ich 3 Töchter und einen Sohn. Hier schreibt keine "typische" Mutter, die Haushalt und Familie mit links schmeißt, Modelmaße hat und nebenbei locker eine Karriere wuppt. Ich finde es okay, auch mal zu sagen "Ich bin müde! Der Mann nervt! Wir streiten öfter! Nein, ich backe, bastel und singe nicht 24 Stunden am Tag! Ja, ich mag Fast Food und ein Schnäpschen zwischendurch!" Aber auch die schönen Dinge kommen nicht zu kurz. Süße Sachen die ich im Netz finde, hilfreiche Tipps, anderes Lesenswerte und ganz viel ♥

4 Comments

  1. Das kommt ehrlich gesagt sehr selten vor. U es käme drauf an ob es bald wieder was gibt. ZB nach dem Mittag essen dann bald Vesper. Ich würde wohl sagen, dass sie warten sollen bis es die nächste Mahlzeit gibt. Ob ein Apfel bis dahin auch reichen würde. Ein Essen würde ich nicht extra machen.

  2. Ich erkenne uns 100% wieder! Wir legen sehr viel Wert auf Tischmanieren, ansonsten kann und darf jeder wie er mag. Meine armen Kinder durften als Minis nie mit dem Essen rummanschen, sie wurden gefüttert, bis sie selber das Besteck halten konnten. Stücke Gurke, Brot o.ä. haben sie natürlich alleine gegessen, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, ihnen ein komplettes Mittagessen vor die Nase zu schieben, damit sie es einmal über Tisch und Hochstuhl verteilen.

  3. Wie machst du es, wenn sie nur eine Mini Hauptmahlzeit hatten, Nachspeise gegessen haben und dann nach 20 Minuten wieder hungrig sind? LG

  4. Danke für diesen wundervollen Post! Ich sehe das genauso wie Du, doch leider ist das ein ewiges Streitthema zwischen mir und meinem Mann. Er ist eher die Fraktion „Nebentisch“ während ich es so handhabe wie Du. Und mehr noch, ich finde Kinder lernen mehr durch beobachten als durch Anordnungen und Massregelungen. Unsere Mahlzeiten sind deshalb leider selten harmonisch…
    Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf.
    Herzlichst Joevlin

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